Handels­ver­treterausgleich: So wird die Abfindung ermittelt

Handelsvertreterausgleich: Voraussetzungen und Berechnung

1. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs

Aus § 89b Abs. 1 HGB ergeben sich vier Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Handelsvertreter einen Anspruch auf einen Ausgleich hat:

  1. Es muss ein Handelsvertreterverhältnis vorliegen.
  2. Das Handelsvertreterverhältnis muss beendet sein.
  3. Dem Unternehmer müssen auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zufließen.
  4. Die Zahlung des Ausgleichs muss der Billigkeit entsprechen, wobei alle Umstände, insbesondere die dem Handelsvertreter entstehenden Provisionsverluste zu berücksichtigen sind.

Bestehen eines Handelsvertreterverhältnisses

Die erste Voraussetzung für einen Anspruch auf Ausgleich ist ein Handelsvertretervertrag zwischen den Vertragsparteien, der beendet wurde und dadurch den Anspruch auslösen konnte.

Es ist nicht immer offensichtlich, ob zwischen den Parteien tatsächlich ein Handelsvertretervertrag bestand, insbesondere wenn es keine schriftliche Vereinbarung gibt. Allerdings lassen sich aus den festgelegten Rechten und Pflichten oft Rückschlüsse auf eine Handelsvertretung ziehen.

Dabei sind folgende Kriterien wichtig:

  • Der Handelsvertreter wird im Rahmen einer kontinuierlichen Geschäftsbeziehung zum Unternehmen dauerhaft für dieses tätig und ist für die Absatzförderung zuständig.
  • Der Handelsvertreter arbeitet selbstständig und trägt sein eigenes Unternehmer- und Kostenrisiko.
  • Der Handelsvertreter legt seine Arbeitszeiten und Tätigkeiten selbstständig fest.
  • Die Vermittlung von Geschäften und die Kundenbetreuung erfolgen im Namen und für Rechnung des vertretenen Unternehmens. Dadurch grenzt sich der Handelsvertreter vom Vertragshändler ab, der in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt.

<blockquote class="quote-icon info">Entscheidend ist also, dass der Handelsvertreter das wirtschaftliche Risiko trägt und seine Tätigkeit und Arbeitsweise frei gestalten kann. Arbeitet die Person zwar formal selbstständig, ist jedoch in ihrer Tätigkeit und Arbeitsweise so stark in die Abläufe und Vorgaben des Unternehmers eingebunden, ist sie de facto wie ein Arbeitnehmer zu behandeln. Hier liegt dann ein Fall der Scheinselbstständigkeit vor und ein Handelsvertreterausgleich scheidet aus.</blockquote>

Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses

Für den Anspruch des Handelsvertreters kommt es außerdem auf den Grund und die Art der Vertragsbeendigung an. Im Normalfall entsteht der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich, wenn das Vertragsverhältnis ordentlich durch den Unternehmer gekündigt wurde. Es gibt auch aber auch andere Situationen, in denen ein Ausgleichsanspruch entstehen kann:

  • Der ordentlichen Kündigung kommt eine unwirksame außerordentliche Kündigung gleich, die in eine ordentliche Kündigung umgedeutet wird.
  • Ein befristeter Handelsvertretervertrag ist ausgelaufen.
  • Eine vertraglich vereinbarte Altersgrenze wird erreicht.
  • Der Handelsvertretervertrag wurde durch einen Aufhebungsvertrag einvernehmlich von den Parteien aufgelöst.
  • Es erfolgte eine Teilbeendigung des Vertretervertrages durch eine vertraglich zulässige Bezirksänderung oder Einschränkung des Kundenkreises.

Der Ausgleichsanspruch ist gemäß § 89b Abs. 3 HGB grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Handelsvertreter selbst den Handelsvertretervertrag kündigt. Davon macht das Gesetz zwei Ausnahmen:

  1. ordentliche Kündigung des Handelsvertreters wegen Alters oder Krankheit und
  2. außerordentliche Kündigung des Handelsvertreters aus wichtigem Grund

Ob ein wichtiger Grund vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden. Der Handelsvertreter muss durch das Verhalten des Unternehmers in eine unhaltbare Lage gekommen sein.

<blockquote class="quote-icon achtung">Merke: Wenn der Handelsvertreter selbst den Handelsvertretervertrag kündigt, besteht nur ausnahmsweise ein Ausgleichsanspruch.</blockquote>

Erhebliche Vorteile des Unternehmers nach Vertragsbeendigung

Die dritte Voraussetzung ist, dass nach Vertragsbeendigung erhebliche Vorteile beim Unternehmer verbleiben. Der Handelsvertreter muss entweder neue Kunden für den Unternehmer akquiriert oder die bestehenden Geschäftsbeziehungen zu Altkunden wesentlich erweitert haben (Verdopplung der Umsätze). Es genügt, dass der Handelsvertreter mitursächlich an der Werbung der Kunden beteiligt war.

Für die Annahme verbleibender erhebliche Vorteile für den Unternehmer ist erforderlich, dass der Kunde wiederholt Geschäfte mit dem Unternehmer abgeschlossen hat (Stammkunden oder Mehrfachkunden). Kunden, die zwar vom Handelsvertreter geworben wurden, aber nur einmal bestellt haben, werden folglich nicht in die Ausgleichsberechtigung einbezogen.

<blockquote class="quote-icon achtung">Bemerke: Als ausgleichspflichtige Kunden sind nur solche zu berücksichtigen, die als Stammkunden einzuordnen sind.</blockquote>

Unternehmensvorteile werden angenommen, wenn innerhalb eines vorhersehbaren Zeitraums mit Nachbestellungen zu rechnen ist. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art des Produkts und seiner Langlebigkeit.

Es obliegt dem Handelsvertreter, die Werbung neuer Kunden oder die wesentliche Erweiterung der Geschäftsbeziehung zu Altkunden darzulegen und zu beweisen. Um zu bestimmen, ob Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiterhin Geschäfte mit dem Unternehmer tätigen werden, ist eine Prognose zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung erforderlich. Dabei dürfen nur zu diesem Zeitpunkt absehbare Fakten berücksichtigt werden.

<blockquote class="quote-icon para">Praxisbeispiel – Insolvenz eines Kunden: Wenn ein Kunde bereits während des Handelsvertreterverhältnisses Zahlungsschwierigkeiten hatte und dann insolvent wird, ist er nicht in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen, da die Insolvenz zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung absehbar waren.

Eine andere Beurteilung erfolgt jedoch, wenn der Kunde immer pünktlich gezahlt hat und eine Insolvenz bis zur Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses nicht absehbar war. In diesem Fall muss der Neukunde in die Ausgleichsberechnung einbezogen werden, auch wenn später keine Vorteile mehr aus dieser Geschäftsbeziehung gezogen werden können.</blockquote>

<blockquote class="quote-icon info">Ausnahme für den Ausgleich vom Versicherungs- und Bausparkassenvertreter: Diese spezielle Regelung in §89 b Abs. 5 HGB berücksichtigt die Besonderheiten der Versicherungsbranche. Die Spitzenverbände der Versicherungswirtschaft und der Versicherungskaufleute haben Richtlinien zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für verschiedene Versicherungsbereiche entwickelt. Für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter wird der Ausgleichsanspruch in der Regel gemäß diesen Richtlinien berechnet. Die Erklärungen in diesem Beitrag beziehen sich daher nicht auf diesen Bereich.</blockquote>

Billigkeit

<blockquote class="quote-icon info">Billigkeit meint Gründe, die aus Sicht der Gerechtigkeit oder Fairness dazu führen können, dass eine bestimmte Regelung oder Entscheidung abgemildert oder geändert wird. Im juristischen Kontext können Billigkeitsgründe verwendet werden, um eine gerechte Lösung zu finden, die den individuellen Umständen einer Situation angemessen Rechnung trägt.</blockquote>

Bei der Prüfung der Billigkeit wird das gesamte Handelsvertreterverhältnis, einschließlich der Gründe für dessen Beendigung, berücksichtigt. Insbesondere wird auch geprüft, ob der Handelsvertreter Provisionen verliert, die er aus Geschäften mit von ihm neu geworbenen Kunden erhalten hätte (sogenannte Provisionsverluste).

Provisionsverluste waren bis zur Neufassung des § 89b HGB eine eigenständige Ausgleichsvoraussetzung. Heute spielen sie weiterhin eine wichtige Rolle bei der Billigkeitsprüfung.

<blockquote class="quote-icon achtung">Provisionsverluste sind die Provisionen, die der Handelsvertreter hätte verdienen können, wenn das Vertragsverhältnis nicht beendet worden wäre. Es wird angenommen, dass der Handelsvertreter weiterhin tätig gewesen wäre.

Allerdings soll nur der Provisionsverlust ausgeglichen werden, der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit von ihm neu geworbenen Kunden entgangen wäre. In die Ausgleichsberechnung fließen daher nur Vermittlungs- und Folgeprovisionen ein. Bezirks- und Verwaltungsprovisionen sind hingegen nicht ausgleichspflichtig.</blockquote>

Zudem werden dem Handelsvertreter nur Provisionen ausgeglichen, die ihm innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Vertragsende noch zugeflossen wären. Dieser Zeitraum beträgt in der Regel zwischen drei und fünf Jahren, je nach Beständigkeit der vom Handelsvertreter geschaffenen Geschäftsbeziehungen.

Sonstige Billigkeitsaspekte

Verschiedene weitere Gesichtspunkte können zur Anspruchsminderung oder -erhöhung beitragen:

Ebenso wirksam ist die Vereinbarung eines Mindestbetrags für den Ausgleich vor Vertragsende sowie eine Berechnungsklausel, sofern dadurch der Ausgleichsanspruch nicht eingeschränkt wird.

Im Handelsvertretervertrag können weitere wirksame Klauseln vereinbart werden, die den Handelsvertreterausgleich beeinflussen können.

Wichtig: Diese Regelungen dürfen nicht dazu führen, dass die gesetzlichen Bestimmungen umgangen werden und der Handelsvertreter benachteiligt wird. Eine vertragliche Regelung, die darauf abzielt, die Entstehung des Ausgleichsanspruchs bei Vertragsende zu verhindern, würde dies beispielsweise bewirken.

Praxistipp: Bevor Sie als Handelsvertreter oder Unternehmer eine Vereinbarung schließen, sollte die Beratung durch einen Fachanwalt in Anspruch genommen werden, um unbillige Ergebnisse bei der Ausgleichszahlung zu vermeiden.

5. Geltendmachung des Handelsvertreter­ausgleichsanspruchs

Die Geltendmachung des Handelsvertreterausgleichs bedarf keiner besonderen Form und kann sogar vor Ablauf des Vertragsverhältnisses erfolgen.

Praxistipp: Aus Nachweisgründen sollte der Ausgleichsanspruch schriftlich (per Einschreiben) oder anderweitigem Zustellungsnachweis geltend gemacht werden.

6. Das Wichtigste auf einen Blick

  • Für einen Ausgleichsanspruch muss ein Handelsvertretervertrag bestanden haben, der beendet wurde und der Unternehmer muss erhebliche Vorteile aus Kundenbeziehungen des Handelsvertreters erhalten.
  • Der Ausgleichsanspruch basiert auf verschiedenen Kriterien:
    • Vorteile des Unternehmers
    • Provisionsverluste des Vertreters
    • Billigkeit (Fairness)
  • Der Ausgleichsanspruch wird in der Höhe durch den Durchschnitt der Provisionszahlungen der letzten fünf Jahre begrenzt.
  • Der Anspruch muss innerhalb eines Jahres nach Vertragsende geltend gemacht werden – ansonsten ist er ausgeschlossen.
  • Der Handelsvertreterausgleichsanspruch kann vor Vertragsende nicht wirksam ausgeschlossen werden. Nach Vertragsbeendigung sind Gestaltungsmöglichkeiten gegeben.
  • Es besteht keine gesetzlich vorgeschriebene Form für die Geltendmachung. Empfohlen wird die Schriftform per Einschreiben oder persönliche Übergabe mit Empfangsbestätigung.

Fragen und Antworten

Diese Fragen aus unserem FAQ passen zum Thema.