"Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen“: Wie GmbH-Geschäftsführer der Haftung entgehen

Wenn Geschäftsführer Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten

Ein durchaus typischer Verlauf: Erst meldet die GmbH Insolvenz an, dann gibt es Ärger mit dem Insolvenzverwalter. Dieser wirft dem Geschäftsführer vor, vor dem Insolvenzantrag trotz Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft noch Zahlungen an Dritte geleistet zu haben.

Dieser Vorwurf, gekoppelt mit Zahlungsansprüchen an den GmbH-Geschäftsführer, ist fast schon der Regelfall. Den GmbH-Geschäftsführer bringt diese Aussicht in die Zwickmühle. Er kann ja nicht einfach auf jede Zahlung verzichten, sobald die finanzielle Schieflage droht. Auch damit begibt er sich ins juristische Risiko. Das gilt ganz besonders, wenn es um Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer geht.

Gegenwert als Masse verwertbar: keine Haftung

Nun haften Geschäftsführer zwar nicht immer und in allen Fällen für Zahlungen, die trotz Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit erfolgen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof letztes Jahr die Entlastungsmöglichkeiten noch einmal deutlich eingeschränkt (BGH, 04.07.2017, II ZR 319/15).

Wenn der sogenannten Masseschmälerung durch die Zahlung eine Gegenleistung gegenübersteht, die die Gläubiger nach Insolvenzeröffnung verwerten können, haftet der Geschäftsführer ausnahmsweise nicht. Aber beim Begleichen von Strom oder Internetkosten beispielsweise gilt diese Ausnahme nicht (BGH, 26.03.2015, IX ZR 134/13).

Strafbar muss sich der Geschäftsführer nicht machen

Dem Geschäftsführer kann man auch dann aus einer Zahlung keinen Strick drehen, wenn er bei Unterlassen der Zahlung haftet beziehungsweise sich strafbar macht.So darf er beispielsweise Steuerschulden der GmbH begleichen, obwohl das die Masse schmälert, weil Steuerhinterziehung ein Straftatbestand ist. Entsprechendes gilt für Sozialversicherungsbeiträge.

Vordringlichste Zahlungspflicht: Sozialversicherungsbeiträge

Für den Geschäftsführer der GmbH ist es wichtig, die Beiträge fristgerecht an die Einzugsstellen der Sozialversicherung abzuführen.

Und zwar selbst dann, wenn Löhne und Gehälter gar nicht mehr bezahlt werden können:

Die Sozialversicherungsbeiträge sind trotzdem fällig.Wenn der Geschäftsführer zunächst andere Rechnungen begleicht und die Liquidität dann für die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr ausreicht, drohen ihm aufgrund der nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile erstens ein Strafverfahren (266a Abs. 1 StGB) und zweitens die zivilrechtliche Haftung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB).

Bedingter Vorsatz des Geschäftsführers?

Der Sozialversicherungsträger muss dem Geschäftsführer nicht nur eine Pflichtverletzung nachweisen, sondern auch bedingten Vorsatz (BGH, 03.05.2016, II ZR 311/14). Der Geschäftsführer muss mit anderen Worten „eine Beitragsvorenthaltung für möglich gehalten und diese gebilligt“ haben (BGH, 18.12.2012, VI ZR 57/09).

Trotz dieser Hürde ist das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen eine der meistverfolgten Wirtschaftsstraftaten in Deutschland.

Scheinselbstständigkeit

Regelmäßig gibt es Streit darüber, ob ein vermeintlich selbstständiger Auftragnehmer der GmbH in Wirklichkeit sozialversicherungspflichtig war. In diesem Fall muss man schlagende Argumente gegen die Scheinselbstständigkeit vorbringen können, um den Vorwurf des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen zu entkräften.

Wenn D&O-Police nicht zahlt

Außerdem kann es passieren, dass der Geschäftsführer trotz Manager-Haftpflichtversicherung (D&O-Police) auf der gegen ihn gerichteten Forderung samt Rechtskosten sitzen bleibt. Selbst wenn kein Vorsatz vorlag, kann der Versicherer sich unter Umständen weigern, den Schaden zu regulieren. Inzwischen hat ein Oberlandesgericht in einem Fall bestätigt, dass der Anspruch gegen den Geschäftsführer aus § 64 GmbHG keinen Versicherungsfall der D&O-Versicherung darstellt (OLG Celle, 01.04.2016, 8 W 16).

Fazit: vom Anwalt beraten lassen

Wenn die GmbH akut von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit bedroht wird, kann jeder einzelne Geschäftsvorfall zur Gratwanderung werden. Veranlasst der Geschäftsführer die Zahlung, drohen später Forderungen vom Insolvenzverwalter. Zahlt er nicht, kann das zur Haftung führen, ganz besonders, wenn die Sozialversicherungsträger leer ausgehen.

Falls Ihre GmbH die Sozialversicherungsbeiträge nicht fristgerecht begleichen kann, sollten Sie sich als Geschäftsführer umgehend rechtlich beraten lassen.

Als Fachanwalt für Gesellschaftsrecht mit Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht kann ich Ihnen in dieser Situation entscheidend beistehen.

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